Kinderurologie

Vorhautverengung/ Verklebung
Die Vorhaut kann nicht zurückgezogen werden, es kommt deshalb zu Schmerzen und Entzündungen.

angeborene Fehlbildungen
Fehlbildungen der Niere, Blase und Harnröhre.

Hodenhochstand
Der Hodenhochstand ist ein Risiko für spätere Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit und Hodenkrebs.

Ein Hodenhochstand sollte operiert werden, bevor ein Schaden entsteht.

Definition Hodenhochstand:
Hoden nicht im Hodensack (Skrotum) tastbar

Bauchhoden (Retentio testis abdominalis)
Hoden liegt im Bauchraum, innerhalb des Anulus inguinalis internus (kann bis zum Unterpol der Niere hinaufliegen)

Leistenhoden (Retentio testis inguinalis)
Hoden liegt im Bereich der Leiste, kann nicht ins Skrotum verlagert werden, Lage zwischen innerem und äußeren Leistenring, meist in oberflächlichem Pouch zwischen Scarpa Faszie und M. obliquus internus Faszie (Denis Browne Pouch)

Gleithoden (Retentio testis präscrotalis; „gliding testis“)
Hoden liegt oberhalb des Skrotums und kann bis in den Skrotaleingang gezogen werden; weitere Verlagerung bis an den tiefsten Punkt des Skrotums ist nicht möglich. Beim Loslassen gleitet Hoden sofort wieder zurück (kurzer Samenstrang)
Gleit-, Leisten- oder Bauchhoden deszendieren nie spontan dh. eine Behandlung muss erfolgen.

Pendelhoden ("retractile testis") - Normvariante
Hoden liegt spontan entweder im Skrotum oder in der Leiste, lässt sich spannungsfrei an den unteren Skrotalpol verlagern, bleibt auch längere Zeit dort bis zur Auslösung des nächsten überschießenden Kremasterreflexes

Deszendierter Hoden
Ein hochskrotal tastbarer Hoden gilt als regelrecht deszendiert, wenn seine tiefste, ohne Zug zu erreichende Position noch im Hodensack ist.

Nicht deszendierter Hoden
Ein nicht deszendierter Hoden muss von ektopem Hoden unterschieden werden (ca. 70% inguinal epifaszial, aber auch praepenil, penil, femoral, umbilikal, perineale Ektopie, und im kontralateralen Skrotum)

Sekundär aszendierender Hoden/
primärer Hodenhochstand

Sekundär aszendierender Hoden von primärem Hodenhochstand zu unterscheiden (Ursache: Fehlinsertion des Gubernakulum testis): durch zunehmendes Längenwachstum oder retinierte fibröser Anteile des Funiklus spermaticus entsteht bei 3-4% bei 7-10 Jährigen eine sekundäre Retraktion (ascending testis syndrome), auch iatrogen nach Leistenhernienoperationen im Säuglingsalter (2% der Fälle), bei Pendelhoden erhöhtes Risiko für sekundären Aszensus.

Meist erfolgt nach Aszension wieder spontaner Deszensus, Zuwarten möglich, einige Studien zeigen jedoch histologische Veränderungen, Fertilitätsstörungen- eine OP sollte angestrebt werden.

Ätiologie:

Isolierter Hodenhochstand ist die häufigste kongenitale Fehlbildung des männlichen Genitals zum Geburtszeitpunkt. Inzidenz 1-4% der reif Neugeborenen, bis 30% bei Frühgeburten, einseitig mehr als zweimal so häufig als beidseitig, 70% der dystopen Hoden deszendieren spontan bis zum 3. Monat aber nur 7% spontaner postnataler Deszensus im 1. Jahr, nach 6. Monat ist spontaner Deszensus extrem selten.
Verteilung: rechts häufiger als links (70% zu 30 %), bis zu 20% bilateral

Ursache: multifaktoriell, endokrine, genetische oder anatomische Störungen (Unreife der Hypothalamus-Hypophysenachse, lig. diaphragmaticum, N. genitofemoralis, Gubernakulum testis, Processus vaginalis), aber meist keine bestimmte Ätiologie fassbar.

Risiko für kongenitalen Hodenhochstand:

  • Geburtsgewicht <2500g (zu geringes altersadaptiertes Geburtsgewicht)

  • Frühgeburt

  • Vaginale Blutung

  • Plazentainsuffizienz

  • Intrauterine Insemination (Clomifenbehandlung)

  • Diabetes der Mutter

  • familiäre Häufung/ bei genetischer Prädisposition kommt es zu testikulärer Dysgenesie mit verminderter Funktion von Sertoli- und Leydigzellen

  • Umweltfaktoren (Clomifen, Pestizide, die in den Androgenstoffwechsel eingreifen), Alkohol, Rauchen



ICSI und IVF haben keinen Einfluss auf Kryptorchismus, intrauterine Insemination stellt einen Risikofaktor dar

Bedeutung des Kryptorchismus für die Fertilität:

  • zwischen der 24.-35. Schwangerschftswoche deszendiert der Hoden ins Skrotum

  • mit 2-3 Monaten Mini Pubertät: Transformation von fetalen Gonozyten zu adulten Spermatogonien dann weiter zu primären Spermatozyten (mit 6 Monaten abgeschlossen dann sogenannte Priming Phase)

  • bei Kryptorchismus ab 1LJ signifikante Reduktion der Spermatogonien, je höher der Hoden gelegen, desto mehr wird die Keimzellentwicklung kompromittiert

  • Neugeborene mit intraabdominalem Hoden haben normale Keimzellenzahl

  • nach 18. Monaten histologische Veränderungen der Keimzellen sichtbar, Prozess beginnt mit Leydigzellhypoplasie bereits im ersten Lebensmonat, Degeneration der Sertolizellen, defekte Reifung der Gonozyten , Verschwinden von adulten Spermatogonien, Fehlen der Entwicklung von primären Spermatozyten (1)

  • Unilateraler Kryptorchismus: geringere Fertilitätsrate aber gleiche Paternitätsrate, wenn beidseitig: beides erniedrigt, bei bilateralem Hodenhochstand entsteht fast immer eine Azoospermie, bilaterale Orchidopexie in der Kindheit führt in bis zu
    80 % zu normalem Spermiogramm bei Erwachsenen.

Risiken für Kryptorchismus

  • Hodentumorrisko: bei Hodenhochstand ist Risiko für Tumor bis zu 20x höher (2), höchstes Risiko bei intraabdominal gelegenem Hoden


  • ob erhöhtes Tumorrisiko auch für kontralateralen Hoden besteht, wird kontrovers diskutiert
    Potentielle Gefahr der Torsion des intrabadominalen Hodens, cave: Unterbauchschmerzen bei nicht dezendiertem Hoden

Anamnese und Diagnose

Anamnese:
Praenatal- und Geburtsanamnese, Steroidgebrauch der Mutter, Perinatalperiode, Skrotale Untersuchung bei der Geburt, Begleiterkrankungen, Familienanamnese bes. Kryptorchismus

Diagnose:
bei Untersuchung ist Hoden in 80% tastbar, wenn nicht tastbar: Hoden intraabdominal, inguinal (vanishing tesitis), warmes Ultraschallgel verwenden, warme Umgebung (Bett, Badewanne), Kind entspannt in Rückenlage untersuchen, Kind soll nicht Schreien (Cremasterreflex), achte auf Konsistenz, Größe, paratestikuläre Abnormitäten, Hernien, Hydrozele, Hypertrophie des kontralateralen Hodens zeigt Kryptorchismus an. Eltern sollten Hodenlageprotokoll über mehrere Wochen führen (genaue Instruktion). Mehr als 90% der Kryptorchismuspatienten haben verschlossenen Processus vaginalis, 72% haben Nebenhodenfehlbildungen vs. 34% bei normalen Buben.

Abklärung der Auffälligkeiten

  • Bei bei morphologischen Auffälligkeiten und psychomotorischer Entwicklungsstörung, Genitalfehlbildungen, positiver Familienananmese, Fehlbildungen an Niere, Herz, Gastrointestinaltrakt an Syndrom denken, wegen Koinzidenz von Nierenfehlbildungen in 5% bei Kryptorchismus auch oberen Harntrakt abklären, bei Kleinwuchs und Entwicklungsstörung auch Chromosomenanalyse (bei 10% pathologisch).

  • Hodenhochstand und Hypospadie haben oft WT-1 Genmutation- Assoziation mit Wilms Tumor, Differentialdiagnose: genetisch bedingte Störungen der Androgensynthese bzw. Androgenresistenz (3).

  • endrokrinologische Abklärung bei bilateralem Kryptorchismus oder va. sexuelle Differenzierungsstörung (zusätzliche Fehlbildungen wie Hypospadie und männlich/weibliches Genital): mit HCG Stimulationstest oder Inhibin bestimmen (cave falsch negative Befunde (3)).

  • Messung von Inhibin und FSH als Serummarker zur Beurteilung der Funktion der Sertolizellen und Vorhandensein von Hodengewebe, bei 3 Mo alten Säuglingen mit Hodenhochstand ist Inhibin erniedrigt, FSH erhöht, cave: falsch negative Befunde schließen vorhandenes Hodengewebe nicht aus
    Niedrige Inhibinspiegel zeigen niedrige Keimzellzahlen an, Inhibinspiegel steigen nach Orchidopexie wieder an, frühe Orchidopexie erhöht Serum Inhibin, ob Fertilität wirklich besser wird ist noch unklar (4).

  • Bei nicht tastbarem Hoden Sonographie (>7,5MHz): Hoden kann zu 80% gefunden werden, Volumen messen (Sensitivität 76%, Spezifität 100%), MRT kann ebenfalls zu 85% die Lage des Hodens korrekt bestimmen (Sensitivität 86%, Spezifität 79%), Nachteil MRT: Sedierung oder Narkose, MRT nicht routinemäßig indiziert (Sensitivität), MRT nur bei Va intersexuelles Genital indiziert.

  • HCG Stimulationstest 100IE/kgKG oder 5000IE/1,7m2 Körperoberfläche im. morgens 8:00-9:00, nach 72-96 Stunden soll Serumtestosteron ansteigen, Anstieg auf 10-20x fachen Ausgangswert ist als normal zu werten.

  • Laparoskopische Abklärung muss erfolgen wenn Hoden nicht tastbar ist und sonographisch nicht eindeutig feststellbar (Diagnosesicherung, Ausschluss eines intraabdominalen Hodens, Morphologie der Gonaden kann beurteilt werden), bei Störung der sexuellen Differenzierung kann evtl. persistierender Müller Gang identifiziert und ggf. entfernt werden, Komplikationsrate bei Laparoskopie 1-3%

  • Kontralaterale Hypertrophie (>1,8cm Durchmesser) weist in 90% auf Monorchie hin (vanishing tesits), bei fehlender kontralateraler Hypertrophie ist eine laparoskopische Suche indiziert.

  • Hodenbiopsie indiziert bei: Va Ovotestis, Gonadendysgenesie, Tumor, Prune belly Syndrom, abnormen Karyotypen.


medikamentöse Therapie

  • In ersten Lebensmonaten Chance auf spontanen Deszensus - zunächst Abwarten, danach ist spontaner Deszensus unwahrscheinlich, je tiefer Hoden steht, desto besser Erfolgschance.

  • Pendelhoden: keine Therapie, Eltern beruhigen, Zuwarten, wegen Gefahr der Aszension –Kontrollen min 1x jährlich, Aufklärung und Selbstkontrolle, spricht gut auf Hormontherapie an (Hormontherapie wenn zu mehr als 50% nicht im Skrotum tastbar).

  • Bei Gleithoden und allen anderen Formen des Kryptorchismus: OP Indikation bis zum Ende des ersten LJ, bis 18.Monat sollte Therapie abgeschlossen sein.

  • GnRH Therapie praeoperativ: GnRH Spray (Kryptokur) 3x400 µg/Tag (1,2mg/Tag ab 6 Monaten über 4 Wochen verbessert Fertilitätschancen (Transformation Gonozyten zu adulten Spermatogonien, Proliferation der Keimzellen) im Vergleich zu alleiniger chirurgischer Behandlung, GnRH normalisiert endokrines Milieu und verbessert Fertilitätsindex (5).

    Nebenwirkung: Virilisierung, Penis kann größer werden, Schmerzen am Genital, Erektionen, Appetit steigt, Gewichtszunahme, Schambehaarung, Aggression va bei HCG (alle reversibel).

  • Hormontherapie neoadjuvant, jedoch wirkt sich diese auch nach einer Orchidopexie positiv auf Fertilität aus (6). Erfolgsrate: bis zu 20%, je näher am Skrotum desto höher Erfolgsrate, in 25% Rezidiv.

  • keine Hormontherapie bei sekundärem Hodenhochstand nach Leistenhernien OP (3-6 Monate abwarten, dann OP)
    HCG wegen vermehrter Apoptose im Hodengewebe (Schaden für Fertilität) und i.m Gabe nicht mehr empfohlen.

operative Therapie

  • Orchidopexie nach Shoemaker: bei nicht tastbarem Hoden vor der OP Untersuchung in Narkose, ca. 18% der vorher nicht getasteten Hoden werden tastbar! Wenn Hoden im Leistenkanal sicher identifizierbar (Tastbefund, Sonographie, MRT): inguinale Exploration, wenn nicht getastet dann laparoskopische Hodensuche durchführen
    Erfolgsrate: 92% wenn distal des äußeren Leistenringes, und 74% bei intraabdominalem Hoden, Komplikationen: Atrophie in 0,3%, Rezidiv 2-10%
    Wenn nur blind endender Ductus deferens gefunden wird ohne Spermatikagefäße, weiter intraperitoneal suchen, keine weitere Suche wenn Spermatikagefäße im Leistenkanal blind enden.

  • Laparoskopische Hodensuche: Goldstandard (Medialisierung des Samenstranges medial zu unteren epigastrischen Gefäße) bei Laparoskopie findet sich in 50% intraabdomineller Hoden, bei 45 % ist Hoden atroph (vanishing testis ) oder es ist gar kein Hoden angelegt (Hodenagenesie), in 5% im Leistenkanal obwohl Hoden in Narkose nicht zu tasten war, insgesamt >95% Erfolgsrate.

  • intraabdominalen Hoden bei >10-Jährigen mit normalem kontralateralen Hoden entfernen (erhöhtes Entartungsrisiko), ab 10.LJ routinemäßig Hodenbiospie durchführen.

  • Bei Kinderwunsch nach Orchidopexie kann oft mit TESE und ICSI geholfen werden.

  • Bei beidseitiger Retentio testis beide Hoden gleichzeitig operieren.

Nachkontrolle von Größe und Entwicklung, Fertilität, Hodentumor alle 3-6 Monaten und über mehrere Jahre

außerdem ist die regelmäßige Selbstkontrolle essentiell

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Literatur

1. Hadziselimovic F, Herzog B (2001) The importance of both an early orchidopexy and germ cell maturation for fertility. Lancet 358:1156-1157

2. Pettersson A, Richiardi L, Nordenskjold A, Kaijser M, Akre O.Age at surgery for undescended testis and risk of testicular cancer. N Engl J Med. 2007 May 3;356(18):1835-41

3. The incidence of intersexuality in patients with hypospadias and cryptorchidism. Rajfer J, Walsh PC. J Urol. 1976 Dec;116(6):769-70

4. Christiansen P, Andersson A M, Skakkebaek N E, Juul A (2002) Serum inhibin B, FSH, LH and testosterone levels before and after human chorionic gonadotropin stimulation in prepubertal boys with cryptorchidism. Eur J Endocrin 147:95-101

5. Schwentner C, Oswald J, Kreczy A, Lunacek A, Bartsch G, Deibl M, Radmayr C. Neoadjuvant gonadotropin-releasing hormone therapy before surgery may improve the fertility index in undescended testes: a prospective randomized trial. J Urol. 2005 Mar;173:974-7

6. Radmayr C, Oswald J, Schwentner C, Neururer R, Peschel R, Bartsch G. Long-term outcome of laparoscopically managed nonpalpable testes. J Urol. 2003 Dec;170:2409-11

7. Koff SA, Sethi PS (1996) Treatment of high undescended testis by low spermatic vessel ligation: an alternative to Fowler-Stephens Technique. J Urol 156:799-803

8. Lindgren B W, Franco I, Blick S, Levitt S B, Brock W A, Palmer L S, Friedman S C, Reda E F (1999) Laparoscopic Fowler- Stephens orchidopexy for the high abdominal testis. J Urol 162:990-994

9. Ritzen E M, Bergh A, Bjerknes R, Christiansen P, Cortes D, Haugen S E, Jörgensen N, Kollin C, Lindahl S, Läckgren G, Main K M, Nordenskjold A, Rajpertde Meyts E, Söder O, Taskinen S, Thorsson A, Thorup J, Toppari J, Virtanen H (2007) Nordic consensus on treatment of undescended testes. Acta paediatrica 96:638-643

10. Kanemoto K, Hayashi Y, Kojima Y, Maruyama T, Ito M, Kohri K (2005) Accuracy of ultrasonography and magnetic resonance imaging in the diagnosis of non-palpable testis. Int J Urol 12: 668-672

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